REVIVED (Ausgabe 2)

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Hochspannung unter Hochdruck und Kitsch im Quadrat – in Ausgabe 2 unseres neuen Formats zu alten Filmen haben wir uns mit The Abyss beschäftigt. Ein Film der es schafft beides zu sein: fantastisch gut und fantastisch schlecht.

Unter rätselhaften Umständen sinkt ein US-amerikanisches Atom-U-Boot in der Nähe des kubanischen Festlandes, mitsamt Mann und Maus und an Bord befindlichen atomaren Sprengköpfen. Da der Film 1989 produziert wurde, ist es nicht weiter verwunderlich, dass dieser Teil des Plots mit den Wirren des sogenannten Kalten Krieges verwoben wird. Die Amerikaner verdächtigen die Russen, das Boot versenkt zu haben und die Russen vermuten eine willkürliche Inszenierung des Unfalls von amerikanischer Seite, um den 'feindlichen' Einsatz vor Kubas Küste rechtfertigen zu können. So aufgeladen die politische Situation um den Unglücksfall auch erscheinen mag, ist sie doch eigentlich nur eine Randerscheinung der Geschichte.

Der Handlungskern dreht sich um die Crew der experimentellen Unterwasser-Ölbohrplattform Deepcore, die rein zufällig in der Nähe der Unglücksstelle operiert und kurzerhand von der amerikanischen Regierung zum vermeintlichen Rettungseinsatz akquiriert wird. Um den Einsatz der Crewmen (und -women) gebührend überwachen und instruieren zu können, stellt man ihnen ein Team von Navy-SEALs zur Seite. So weit klingt das erst einmal menschlich problematisch genug – wie das eben immer so ist, wenn Zivilisten zwecks Zusammenarbeit auf Militärpersonal treffen – jedoch gibt es da ja noch die Außerirdischen.
Jaja, die Außerirdischen... schon wieder. Wieder einmal sind sie auf der Erde gelandet, nur eben diesmal nicht an Land, sondern auf dem Meeresgrund und das wohl auch nicht erst seit gestern, sondern sie müssen (das zeigt sich später im Film) schon eine ganze Weile... da unten rumdümpeln.

Zivilisten, Soldaten, U-Boote, Atombomben, Außerirdische, menschliche und technische Probleme so weit das Auge reicht und das alles unter Wasser – geiler Scheiß!
Ja... und (leider) nein.

Die Außerirdischen spielen eine zwar wichtige, zunächst aber keine allzu große Rolle. Der Film lässt sich bis zu etwa drei Vierteln wie ein sehr gut gemachter und extrem spannender Unterwasser-Thriller an. Zu Dunkelheit und fast spürbaren Kälte/Wasserdruck, die von außen auf Mensch und Material lasten, gesellen sich rein menschliche Spannungen innerhalb der verschiedenen Personengruppen – alles hervorragend inszeniert und schauspielerisch sehr gut dargeboten. Im Zusammenhang der Inszenation dürfen die Special-FX, die vollkommen zurecht mit einem Oscar prämiert wurden, natürlich auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben. In The Abyss wurden erstmals photorealistische CGIs von Wasserbewegungen (und vor allem komplett unrealistischen, aber glaubhaften Wasserbewegungen) in einem Composite mit Realfilm gezeigt. Jeder Schritt, den man derzeit in dieser Richtung machte, war ein Schritt auf filmisches Neuland. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass die Hi-Performance-Computer seinerzeit weniger Rechenkapazität hatten, als (empfunden) jeder bekackte Toaster heutzutage. Jedoch genug geschwärmt, denn jetzt kommt der dicke Haken an der Nummer

Hintenraus (je nach Version bis zu 30 min.) hat Drehbuchautor und Regisseur Cameron das Ganze leider derart barbarisch vergeigt, dass ich es kaum in Worte zu fassen vermag. Wenn Du Dich über die "Liebe wird die Welt retten"-Botschaft in z.B. Interstellar oder Das fünfte Element schon aufgeregt hast, weiß ich nicht, ob ich Dir den Film guten Gewissens empfehlen kann. Was nämlich in The Abyss, im Gegensatz zu den eben angeführten Beispielen, kilometerdick und noch dicker aufgetragen wird, ist Kitsch. Und wenn ich Kitsch sage, dann meine ich MÖRDERKITSCH! Kitsch dass die Elbe gurgelt, Kitsch dass die Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke Galle kotzen, Kitsch dass sämtliche Souvenirshops in Tokio sich schreiend vor die nächste U-Bahn schmeißen.

Und das ist das Tragische an dem Streifen: Er fängt inszenatorisch sooo gut an und macht sooo vieles richtig, er ist (auch an 2018er-Maßstäben gemessen) technisch immer noch brillant und zunächst gut anzuschauen, aber dann haut er Dir zum Ende hin diese nilpferdfette Kitschkeule derart hart in die Eier, dass Du aus den Augen blutest (oder bluten möchtest).

Also was jetzt? Fazit? Empfehlung: ja oder nein?
Antwort: Für Cineasten ein definitives JA, für Kitschallergiker ein klares NEIN.
Du entscheidest selbst, welche dieser beiden Seiten der Skala für Dich überwiegt (und es kann niemand behaupten, ich hätte nicht ausreichend gewarnt).

Nachtrag: Wer den Film mag/mochte und sich für Produktionsdetails interessiert, dem sei hiermit wärmstens die Dokumentation Under Pressure – Making The Abyss ans Herz gelegt, die es (in mehrere Teile gesplittet) kostenlos auf Youtube zu sehen gibt.

Darsteller:
Mary E. Mastrantonio: Lindsey Brigman (Robin Hood [1991], White Sands, Der Sturm)
Ed Harris: Virgil Brigman (Snowpiercer, Apollo 13, A Beautiful Mind)
Michael Biehn: Lt. Coffey (Terminator, Aliens – Die Rückkehr, Planet Terror)

Regie: James Cameron

Erscheinungsjahr: 1989

Dauer: 139 Minuten (Theatrical Ver.) / 164 (Special Edit.)

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