Nachlese zum ESC2017

@holgermat

"Sometimes it's wrong before it's right"
Treffender als im deutschen Beitrag besungen, könnte man den portugiesischen Beitrag fast nicht beschreiben. Das Land an der südwestlichsten Ecke Europas wartete seit seinem Debüt im Jahre 1964 – also sage und schreibe 53 Jahre – auf eine Platzierung unter den ersten Fünf, geschweige denn einen Sieg. Ein Sieg, der wahrscheinlich den Eurovision Song Contest auf Jahre hin verändern wird. Aber eins nach dem anderen.

Portugal hat gewonnen. Ein Satz, den ich bis heute fast eine Woche nach dem Wettbewerb kaum glauben möchte. Portugal – das Land, dass beim ESC soweit vom Mainstream entfernt ist wie Pinguine vom Nordpol. Aber es hat das Unmögliche möglich gemacht und mit Salvador Sobrals disney-esken Ballade “Amar pelos dois” (in etwa: Liebe für zwei) überragend gewonnen, sowohl bei den Jurys als auch bei den Zuschauern.

Die Ursachen dafür sind mannigfaltig:
Zum Teil war es die Lust am Unperfekten – jemand, der nicht irgendeiner Schönheitsnorm entspricht, singt ein Lied, das nicht irgendeiner ESC-Norm entspricht und berührt die Menschen in seiner Landessprache. Auch in unseren drei Streams, während der ESC-Woche, spiegelte sich mein Wunsch nach Simplizität und einer persönlichen Note der Lieder wider. Von der Umsetzung dieser Punkte profitierte letztendlich nicht nur Portugal, sondern auch der singende Roma aus Ungarn.
Ein weiterer Grund dafür, dass Portugal gewonnen hat, ist die Sehnsucht nach dem Innehalten. Ich hatte das Gefühl, dass Salvador mit seinem Lied einen imaginären Stoppknopf zu dem Gewusel betätigt und man ihm einfach zuhört, um dem Weltgeschehen zu entfliehen.
Einen letzter Punkt, den ich ansprechen möchte ist, dass der Song dieses Jahr die Show geschlagen hat. Besser gesagt, die Zuschauer haben dem schwedischen “Alles-muss-nach-nem-perfekten-Castingshowauftritt-aussehen”-Rezept eine klare Absage erteilt und Liedern wie Portugal, Moldawien, Belgien, Rumänien und Ungarn den Vorzug gegeben. Die Schweden werden vermutlich nach wie vor Major Players beim ESC bleiben, aber wenn der Trend so fortgeführt wird, werden sie so schnell nicht den 7. Sieg holen.

Zu guter Letzt ein Wort an den NDR: Seid mehr wie Portugal. Weniger wie Deutschland. Es könnte helfen. ;)

Also dann: Vê-lo em Lisboa 2018.

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